Hilfe! Wie werden wir die Windel los?


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Liebe Eltern,

wissen Sie, warum es so viele Familien- und Eltern-Kolumnen gibt? Tragisch-komische Anekdoten aus dem täglichen Leben einer ganz normalen Durchschnittsfamilie?

Die Antwort ist simpel: Sie sitzen alle im selben Boot. Sie machen alle ähnliche Erfahrungen.

Überspannen auch wir hier einmal den Bogen und skizzieren ein Szenario, das sich für Eltern oft exakt so anfühlt:

 

Bald ist es soweit, Edgar kommt in den Kindergarten. Während Edgar sich darauf freut, bald ein großes Kind zu sein, wird Mama immer nervöser. Warum? Ganz einfach: Edgar ist noch nicht trocken.

Täglich flattern Erfolgsmeldungen der Krabbelgruppen-Freunde ins Haus. Sogar Hannes hat es jetzt geschafft. Alle sind nun windelfrei, nur Edgar ist noch nicht soweit. Als sei der Druck nicht groß genug, mischen sich nun auch noch Oma und Opa ein. Sie verstehen nicht, warum ausgerechnet ihr Enkel es noch nicht geschafft hat, aufs Töpchen zu gehen. Es sei allerhöchste Zeit mit dem Töpfchentrainng zu beginnen, meint Oma. Sogar Opa war in diesem Alter selbstverständlich längst trocken. Das erzählt er jedenfalls. Mama ist rastlos und nervös. Kann der Kindergarten es tatsächlich zur Aufnahmebedingung machen, dass Edgar windelfrei ist? Nein. Oder etwa doch?
Mama redet und redet, erzählt immer wieder neue Geschichten übers Trockenwerden. Schließlich steht es doch in jedem Ratgeber, dass man das Kind behutsam an das Thema heranführen soll. Trotzdem steht das Töpfchen vereinsamt in der Ecke des Badezimmers. Edgar macht keine Anstalten, ein großes Kind zu werden, jedenfalls nicht in dieser Hinsicht. Mama wird ungeduldig und fängt an, Edgar einfach aufs Töpfchen zu setzen. Edgar steht wieder auf und benutzt das Töpfchen als Spielzeugauto für seine Kuscheltiere.

Mama rauft sich die Haare.

Die Nachbarin erzählt, sie habe ihrer Tochter einfach keine Windel mehr angezogen. Das habe bestens funktioniert. Also probiert Mama auch das. Aber Edgar ist das völlig egal. Wird die Hose eben nass, Edgar stört das nicht. Mama stört das schon, denn der Wäscheberg im Badezimmer wächst und wächst. Sechs nasse Hosen an einem Vormittag! Wie soll man da ruhig bleiben? Will Edgar Mama vielleicht nur ärgern?

Mama schimpft.
Mama schmeichelt.
Sie bittet.
Sie droht.
Sie verspricht eine Belohnung.

Aber nichts funktioniert!

Am Wochenende fordert Mama: Heute ist Papa dran, sich um das Problem zu kümmern. Der guckt erstmal ratlos. Schließlich meint er, man müsste strenger sein. Doch auch Strenge löst das Problem nicht. Im Gegenteil. Nun Streiten auch Mama und Papa miteinander und zu Hause herrscht richtig dicke Luft.

 

Wenn Sie sich als Eltern so fühlen, wie die Mutter in dieser Geschichte, halten Sie einen Moment inne, bevor sich die Situation immer mehr zuspitzt.

Denn: Trockenwerden gelingt am schlechtesten in angespannter Atmosphäre. Ungeduld, Streit, Druck und Machtspiele haben hier nichts zu suchen!

Ziehen Sie Ihrem Kind eine frische Windel an, kochen Sie sich einen Kaffee. Lehnen Sie sich zurück, atmen Sie tief durch und machen Sie sich Folgendes bewusst:

Trocken zu werden ist für Kinder ein Entwicklungsschritt,  wie krabbeln oder laufen zu lernen. Das bedeutet, dass Ihr Kind über eine gewisse körperliche und geistige Reife verfügen muss, um diesen Schritt bewältigen zu können. Denn früher können Kinder die Signale, die der Körper hierfür aussenden muss, noch nicht alleine wahrnehmen. Es gibt Kinder, die mit 10 Monaten schon ihre ersten Schritte machen und andere erst mit 18 Monaten oder noch später. Dennoch lernen alle gesunden Kinder das Laufen. Ebenso verhält es sich mit der eigenständigen Kontrolle von Blase und Darm. Die meisten Kinder fangen aber erst mit zweieinhalb Jahren an, sich überhaupt für ihren Körper zu interessieren.

 

Nehmen Sie Abstand von verfrühtem Töpfchentraining:

Ein frühes Töpfchentraining bedeutet nicht, dass ihr Kind früher trocken wird. Der Reifeprozess Ihres Kindes wird durch Ihr Eingreifen nicht beschleunigt. Das ist ein Trugschluss.

Kinder, mit denen schon früh trainiert wurde, ein Töpfchen zu benutzen, sind oft nicht wirklich trocken.

Vordergründig erscheint diese Töpfchentraining-Methode erfolgversprechend. Analysiert man aber, was hier erlernt wurde, wird klar: Nicht ihr Kind lernt selbstständig Blase oder Darm zu kontrollieren, sondern Sie lernen ihr Kind und dessen Verhaltensweisen zu lesen. Sie lernen, welche Zeit ideal ist, um ihr Kind aufs Töpfchen zu setzen. Sie lernen, ihr Kind rechtzeitig an den Töpfchen- oder Toilettengang zu erinnern.

Ersparen Sie sich dieses Dilemma. Lernen Sie lieber wahrzunehmen, wann der richtige Zeitpunkt für Ihr Kind gekommen ist.

 

Finden Sie den richtigen Zeitpunkt:

Der erste Schritt ist getan, wenn Sie beobachten, dass Ihr Kind spürt, dass gerade etwas in die Windel geht. Ihr Kind spürt den Darm-und Harndrang. Die ersten Anzeichen erkennen sie wie folgt:

  • Ihr Kind hält beim Spielen inne, verzieht sein Gesicht und nimmt eine charakteristische Körperhaltung ein.
  • Ihr Kind drückt bewusst in die Windel, bekommt einen roten Kopf und versteckt sich vielleicht.
  • Ihr Kind verbalisiert den Vorgang.
  • Ihr Kind interessiert sich für Ihren Toilettengang und übt diesen im Rollenspiel.
  • Ihr Kind hat trockene Phasen von 3 – 4 Stunden.
  • Ihr Kind will ganz viel selber machen.

 

Wenn Sie mehrere dieser Verhaltensweisen beobachten, beginnt Ihr Kind Eigeninitiative zu zeigen. Diese Eigeninitiative ist der Schlüssel zum Erfolg. Ihr Kind möchte und kann jetzt diesen Schritt in die Selbständigkeit bewältigen. Von diesem Moment an halten Sie sich so gut als möglich aus dem Prozess heraus.

 

 

 

 

Folgendes können Sie dennoch tun, um Ihr Kind bei diesem sehr großen Entwicklungsschritt zu begleiten, und um es zu ermutigen, weiter zu machen, auch wenn es Rückschritte gibt:

  • Kaufen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind ein bequemes Töpfchen und schöne Unterhosen. Erklären Sie, was man damit macht.
  • Üben Sie mit Ihrem Kind, die Hose hoch und runter zu ziehen. Verzichten Sie auf Knöpfe und Reißverschlüsse, kaufen Sie Höschenwindeln. Diese Windeln lassen sich wie Unterhosen einfach herunterziehen.
  • Erlauben Sie Ihrem Kind mit Ihnen oder den Geschwisterkindern auf die Toilette zu gehen. Versuchen Sie so offen wie möglich mit der Neugierde Ihres Kindes umzugehen und ihm alles zu zeigen und zu erklären, wonach es fragt. Dies demonstriert am einfachsten, wie es geht.
  • Erinnern Sie Ihr Kind nicht ständig daran, aufs Töpfchen zu gehen. Es soll selbst lernen, auf die Signale zu achten. Sie sind genervt, wenn Ihr Kind dann nicht reagiert und sie nerven Ihr Kind, wenn Sie dauern fragen. Sprechen Sie Ihrem Kind nicht die Kompetenz ab, alles selber zu kontrollieren.
  • Trösten Sie Ihr Kind bei Misserfolg und ermuntern Sie es, weiter zu machen. Erlauben Sie ihm, die Windel zeitweise wieder zu tragen und wie Edgar mit Windel zu üben.
  • Verzichten Sie auf Belohnung bei Erfolg, ein Misserfolg wird so nur deutlicher. Ihre aufrichtige Freude und Ihr Lob sind genug.
  • Schimpfen Sie nicht und bleiben Sie geduldig.

 

Wir wünschen allen Mamas und Papas viel Durchhaltevermögen und gutes Gelingen!

 

Kleiner Abstecher zum Thema: Trocken durch die Nacht

Viele Kinder brauchen wesentlich länger, um auch nachts trocken zu sein, als tagsüber. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn ältere Kinder nachts regelmäßig einnässen, auch bis zum Schulbeginn. Für die Enuresis nocturna, wie diese Phase bezeichnet wird, kann es verschiedene Gründe geben, die wiederum auch mit der Entwicklung zu tun haben können. Auch Kinder, die nachts schon dauerhaft trocken waren, können durch besondere Ereignissen wieder rückfällig werden (Umzug, Geburt eines Geschwisterkindes, Trennung der Eltern, Schulbeginn u.Ä.).

Wenn Sie sich Sorgen machen, weil das Bettnässen anhält und ihr Kind sichtlich darunter leidet, sprechen Sie mit Ihrem Kinderarzt. Was auch die Ursache sein mag, machen Sie sich bewusst, dass Ihr Kind nicht absichtlich einnässt, aus Trotz oder aus Faulheit. Ihr Kind benötigt Ihre Unterstützung und ihr Verständnis, um diese Phase zu überwinden.